Page 3 - SPP Abschlussbroschüre
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Vorwort
Bei vielen Fragen der persönlichen Lebensführung merken wir schnell, dass wir auf wissenschaftlich begründetes Wissen an- gewiesen sind, wenn wir eine vernünftige Entscheidung treffen wollen. Das betrifft im persönlichen Bereich z. B. Gesundheit und Ernährung, Bildung und Erziehung. Natürlich fragen wir nicht per- sönlich zu all diesen Fragen Wissenschaftler um Rat, aber wir wis- sen doch, dass wir dann, wenn wir Entscheidungen richtig treffen wollen, eigentlich auf wissenschaftlich begründetes Wissen ange- wiesen wären. Auch die politische Teilhabe als Bürger fordert uns Urteile ab, die ein wissenschaftlich begründetes Verständnis unse- rer natürlichen, sozialen und kulturellen Umwelt voraussetzen. Die Öffentlichkeit interessiert sich für wissenschaftsbasiertes Wissen also im Zusammenhang mit der Lösung praktischer Probleme.
Dabei benötigen wir wissenschaftliches Wissen nicht nur bei konkreten Entscheidungen, sondern auch bereits für ein grund- legendes Verständnis der Umwelt im weitesten Sinne. Die Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften liefern die Theorien und Er- gebnisse, mit denen in modernen Gesellschaften die natürliche, soziale, kulturelle und technische Umwelt wahrgenommen wird. Aber die Wissenschaft erfüllt diese wichtige Funktion nicht durch die Lieferung fertiger und unumstößlicher Befunde. Ihre Ergebnis- se entstehen vielmehr in einem kontinuierlichen Diskussions- und Revisionsprozess und dieser ist für die Öffentlichkeit – wenigstens partiell – auch sichtbar. In diesem Sinne bietet die Wissenschaft häufig konfligierende, vorläufige Evidenz und es stellt sich erst im Laufe der Zeit heraus, welche Einsichten und welche Problemlö- sungen den konkurrierenden Geltungsbehauptungen überlegen sind. Für die interne Arbeit der Wissenschaft selbst ist das kein Hin- dernis, es beschreibt sozusagen den Normalfall wissenschaftlicher Erkenntnisproduktion. Für eine Öffentlichkeit, die auf die Ergebnis- se der Wissenschaft angewiesen ist, kann dies jedoch durchaus ein Problem werden.
Diese Problemlage stand im Mittelpunkt der Forschungen des DFG Schwerpunktprogramms Wissenschaft und Öffentlichkeit: Das Verständnis fragiler und konfligierender Evidenz, das von 2009 bis 2015 gefördert wurde. Die beteiligten Forschungsprojekte untersuchten unter anderem den Einfluss der medialen Bericht- erstattung auf das Wissenschaftsverständnis von Laien, die kog- nitive und die diskursive Verarbeitung von konfligierender wis- senschaftlicher Information und Möglichkeiten der Förderung eines adäquaten Wissenschaftsverständnisses. Einen weiteren Forschungsschwerpunkt bildete die Darstellung fragiler und kon- fligierender wissenschaftlicher Evidenz in den Medien. Dazu ge- hören auch die Thematisierung des Nicht-Wissens und der journa-
listische Umgang mit Konflikthaftigkeit und Unsicherheit. Andere Projekte gingen den Rezeptionsbedingungen und -prozessen bei dem Besuch von Wissenschaftsmuseen nach.
Projekte aus Psychologie, Kommunikationswissenschaft, Bil- dungsforschung, Fachdidaktik, Soziologie und Linguistik waren beteiligt. Die Projekte nutzten jeweils die Theorien und Metho- den der Fachdisziplinen, in denen sie angesiedelt waren. Und sie thematisierten jeweils ganz spezifische Aspekte und Prozesse der medialen Wissenschaftsdarstellung und/oder der Wissenschafts- rezeption. In der Zusammenschau wird jedoch deutlich, dass die Auseinandersetzung mit Wissenschaft im Alltag in ganz unter- schiedlichen Erfahrungs- und Lebensbereichen geschieht, von Foren und Informationssammlungen im Internet, über die Wissen- schaftsberichterstattung in der Presse und im Fernsehen bis zum Besuch von Wissenschaftsmuseen.
Ein Großteil der Projekte, die sich in den zurückliegenden Jahren (und immer noch) mit den oben beschriebenen Themen befasst haben, sind unserer Einladung gefolgt, ihr Projekt kurz vorzustel- len. Dabei mussten die Kolleginnen und Kollegen natürlich eine Auswahl treffen; die Broschüre listet also z. B. nicht immer alle Pub- likationen auf, die erarbeitet wurden. Es wird jedoch deutlich, dass nicht nur vielfältige Forschungsergebnissen produziert wurden, sondern auch vielfach junge Kolleginnen und Kollegen durch Dis- sertationen an das Forschungsthema „Wissenschaft und Öffent- lichkeit“ herangeführt wurden.
Die grundlegende Annahme der Vorläufigkeit wissenschaftli- cher Arbeitsergebnisse gilt natürlich auch für die Forschungspro- jekte. Insofern dokumentiert diese Broschüre bei einigen Projek- ten nur einen Zwischenstand. Wir werden deshalb auf der Website des SPP 1409 http://www.scienceandthepublic.de auch in der nächsten Zeit noch die ergänzenden Ergebnisse dokumentieren.
Die Projekte wurden nicht nur um eine Kurzbeschreibung ihrer Forschungsvorhaben und um eine Auswahl ihrer Publikationen gebeten, sondern auch darum, eine aktuelle Frage zum Thema Wissenschaft und Öffentlichkeit zu formulieren und sie dann vor dem Hintergrund ihrer Ergebnisse zu beantworten. Wenn Sie also auf den nächsten Seiten weiter lesen, werden Sie nicht nur Projekt- beschreibungen, sondern auch konkrete Einsichten und Ergebnis- se finden. Wir hoffen, dass Sie damit neugierig genug werden, um von den Projekten Weiteres erfahren zu wollen.
Rainer Bromme, Sprecher des Schwerpunktprogramms Dorothe Kienhues, Koordination des Schwerpunktprogramms
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